Hans Maršálek hätte am 19. Juli 2014 seinen 100. Geburtstag gefeiert. Doch auch drei Jahre nach seinem Tod ist seine Person nach wie vor wirkmächtig, seine Erfahrungen, seine Leistungen und sein unermüdlicher Einsatz bleiben unvergessen.
In der Nacht von 8. auf 9. Dezember 2011 starb der ehemalige Zweite Lagerschreiber des Konzentrationslagers Mauthausen, Dr. h.c. Hofrat Hans Maršálek, Ehrenvorsitzender des Bundesverbands Österreichischer AntifaschistInnen, WiderstandskämpferInnen und Opfer des Faschismus (KZ-Verband/VdA) und der Wiener Landesorganisation des KZ-Verbands, Mitglied des Vorstands der Österreichischen Lagergemeinschaft Mauthausen und des Kuratoriums des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes im 98. Lebensjahr.
Maršálek wurde am 19. Juli 1914 in Wien geboren. Seine Mutter war Dienstmädchen, der Vater Maurer, später Baumeister, beide stammten aus dem Böhmerwald. Nach dem Besuch einer Komenský-Schule absolvierte er eine Lehre als Schriftsetzer bei einer tschechischen Zeitung. Zunächst in der Sozialistischen Arbeiterjugend aktiv, engagierte er sich ab 1936 in der Roten Hilfe. Um der Einberufung zur Deutschen Wehrmacht zu entgehen, flüchtete Maršálek nach der Annexion Österreichs 1938 nach Prag, wo er sich dem kommunistischen Widerstand anschloss. 1941 von der Gestapo verhaftet, nach Verhören im Prager Pankrác-Gefängnis nach Wien überstellt, wurde er fast drei Monate im Keller des Gestapohauptquartiers am Morzinplatz verhört. Am 28. September 1942 erfolgte die Überstellung in das Konzentrationslager Mauthausen, wo er die Häftlingsnummer 13.129 erhielt. Er wurde zur Arbeit im Steinbruchkommando herangezogen, später im Holzfällerkommando, ab 1943 in der Lagerschreibstube und war schließlich ab Mai 1944 als Zweiter Lagerschreiber eingesetzt. Diese Funktion ermöglichte es ihm, kranke und schwache Häftlinge anderen Kommandos zuzuteilen und an das aus Häftlingen unterschiedlicher Nationalität gebildete illegale Lagerkomitee Informationen weiter zu geben.1
Nach der Befreiung war Maršálek Zeuge in den so genannten Dachauer Prozessen – den von der amerikanischen Besatzungsmacht auf dem Gelände des ehemaligen KZ Dachau geführten Militärgerichtsverfahren wegen Verbrechen in verschiedenen Konzentrationslagern – und zwar im Mauthausen-Hauptverfahren, dem größten aller KZ-Prozesse, gegen Gauleiter Eigruber und 60 Angehörige der Lagerwache. Nach seiner Rückkehr nach Wien am 28.Mai 1945 trat Maršálek in den Polizeidienst ein. 1963 wurde er vom Bundesministerium für Inneres damit betraut, in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen ein Museum einzurichten.
Hans Maršálek war wohl in Österreich als auch international eine der bekanntesten Führungspersönlichkeit des Bundesverbands österreichischer AntifaschistInnen, WiderstandskämpferInnen und Opfer des Faschismus, des KZ-Verbands. Bereits in den vierziger Jahren war Maršálek innerhalb des KZ-Verbands Organisator eines Mauthausen-Komitees gewesen, das 1949 eine erste Publikation in Form eines historischen Wegweiser durch die Gedenkstätte herausgab. Seit Oktober 1958 war Maršálek Mitglied des Bundespräsidiums des KZ-Verbands, 2002 wurde er zum stellvertretenden Bundesobmann und im Oktober 2010 zum Ehrenvorsitzenden gewählt. Maršáleks Wirken im KZ-Verband war dabei stets gekennzeichnet durch Einschließen, nicht Ausschließen, was insbesondere vor der Gründung der Arbeitsgemeinschaft der Opferverbände 1968, als die politischen Gegensätze unter den Überlebenden noch virulent waren, von hoher Bedeutung war. Von November 1965 bis März 1989 war Hans Maršálek außerdem Wiener Landesobmann des KZ-Verbands.
Daneben verfasste er mehrere Publikationen, deren wichtigste die 2006 in 4. Auflage erschienene „Geschichte des Konzentrationslagers Mauthausen” war.
Für Hans Maršálek war die Arbeit an der KZ-Gedenkstätte ein aktives, politisches Statement für den Frieden und eine Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft. Besonders wichtig war es ihm, die Vermittlung der Geschichte des KZ Mauthausen mit der politischen Bewusstseinsbildung vor allem bei Jugendlichen zu verbinden. Maršálek war 2007 außerdem einer der ersten Mahner gegen den WKR-Ball und setzte sich unermüdlich gegen das Vergessen der NS-Verbrechen ein.
In Anerkennung seiner herausragenden Verdienste um die KZ-Gedenkstätte Mauthausen, um den Aufbau des Mauthausenarchivs im Innenministerium und um die wissenschaftliche und publizistische Aufarbeitung der Geschichte der Konzentrationslager Mauthausen und Gusen ebenso wie für seinen Widerstand gegen das NS-Regime verlieh die Johannes Kepler Universität Linz am 24. November 2009 Hans Maršálek das Ehrendoktorat der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften.
1 Aus diesem Internationalen Lagerkomitee, das auch unmittelbar nach der Befreiung eine wichtige Rolle bei der Versorgung und Repatriierung der Häftlinge spielte, ging später das Comité International de Mauthausen hervor, dessen Mitglied Maršálek als Repräsentant der österreichischen Häftlinge war.