Auch hinter den Mauern und dem Stacheldraht von Mauthausen formierte sich der Widerstand
In enger Zusammenarbeit mit allen antifaschistischen Kräften führten in Mauthausen die Kommunisten aus fast allen europäischen Ländern einen mutigen Widerstandskampf.
Jeder, der Widerstand leistete, befand sich in tödlicher Gefahr, denn nach der SS Lagerordnung wurde jedwede politische Betätigung, jede Nachrichtenverbreitung, jede Art einer organisierten Solidarität mit dem Tode bestraft.
Es können drei Hauptetappen des organisierten politischen Widerstands im KZ Mauthausen unterschieden werden: Die erste Etappe war geprägt vom Suchen nach Gleichgesinnten und der gegenseitigen Hilfeleistung, dem Bilden von kleinen Gruppen, um durchzuhalten und den Lebenswillen zu stärken und die Verbesserung der Lebensbedingungen der gefährdeten Häftlinge zu ermöglichen. Die zweite Etappe bestand in der Formierung von kommunistischen Parteigruppen der einzelnen Nationen und der Herausbildung des organisierten Widerstands. Diese Etappe war sehr kurz und wurde durch die Siege bei Stalingrad und Kursk politisch begünstigt. Die dritte Etappe schließlich bestand in der Bildung der internationalen Widerstandsorganisation in Mauthausen, der Verdrängung der Kriminellen aus den Häftlingsfunktionen und der Vorbereitung des militärischen Kampfes.
1943 gegründet, gab es bis Mai 1944 in fast allen Blocks und Arbeitskommandos im Hauptlager von Mauthausen und auch in den Nebenlagern Widerstandsgruppen. Die österreichischen und deutschen Häftlinge spielten dabei eine wichtige Rolle, da diese eine lange Erfahrung im Widerstandskampf mitbrachten und die Methoden des faschistischen Gegners gut kannten.
Das Ziel war, alle antifaschistischen Kräfte im Geist der internationalen Solidarität zum Kampf gegen den Faschismus zu vereinen. Das internationale Lagerkomitee umfasste Belgier, Deutsche, Franzosen, Griechen, Holländer, Italiener, Jugoslawen, Luxemburger, Österreicher, Polen, Sowjetbürger, Spanier, Tschechen und Ungarn. Auch in den Nebenlagern wie LINZ III entstanden rasch Internationale Widerstandskomitees. Die Formen und Methoden des Widerstands waren die Solidarität, die antifaschistische Agitation und Propaganda und der militärische Widerstand.
Die illegale zentrale Vierer-Leitung in Mauthausen im Zeitraum von Herbst 1943 bis Anfang 1945 bestand aus Pepi Kohl (KPÖ), Leopold Hoffmann (KP Tsch), Manuel Razola (KP Spanien) und Franz Dahlem (KPD). Bereits 1943 begann unter Führung der Kommunisten die Vorbereitung für eine bewaffnete Auseinandersetzung mit der SS. Den Kern bildeten Kommandeure, Politische Kommissare und Soldaten der Roten Armee sowie Republikanische Spanier und Interbrigadisten. Ende 1944, Anfang 1945 verfügte der militärische Widerstand in Mauthausen über zehn nationale Kampfgruppen, davon drei sowjetische, zwei deutsche, je eine österreichische, tschechische, spanische, jugoslawische und französisch-belgische. Später kam noch eine polnische Kampfgruppe hinzu.
Auch im Krankenlager („Russenlager“) entstand unter noch schwierigeren Bedingungen eine militärische Organisation. Im Krankenlager wirkten u.a. Franz Jakl und Gustl Kammhuber, Lagerältester war Alfred Siebitz. Anfang 1945 befanden sich etwa 6- 7000 schwerkranke Häftlinge im Krankenlager. Da das Krankenlager besonders von einer Liquidierung gefährdet war, erhielt der ehemalige Spanienkämpfer Hermann Streit, der Blockältester im Krankenlager war, vom illegalen Lagerkomitee den Auftrag, dort den militärischen Widerstand zu organisieren. Mithilfe der Lagerschreiber gelang es, Leichtkranke und sogar gesunde Häftlinge zu diesem Zweck ins Krankenlager zu verlegen. Zu Beginn wurden in einigen Blocks die kampffähigen Kräfte konzentriert, die vor allem aus sowjetischen, spanischen und deutschen Häftlingen bestanden. Jede Gruppe erhielt spezielle Aufgaben übertragen. So hatte Bruno Baum, der aus Auschwitz nach Mauthausen verlegt worden war, die Aufgabe, die Verbindung zwischen den Kampfgruppen aufrechtzuerhalten. Hauptmann der Roten Armee, Nikitin wurde zum militärischen Leiter im Krankenlager bestimmt.
Das Signal für den Aufstand im Krankenlager sollte vom Hauptlager durch Blinkzeichen gegeben werden. Es wurde festgelegt, wer die Wachtürme erstürmen, die Waffen einsammeln oder den Draht überwinden musste. Der erste Angriff sollte den Wachtürmen gelten, die mit Schlag-, Hieb- und Stichwaffen, Messern und Hacken erobert werden sollten. Im April 1945 erhielt Bruno Baum eine Maschinenpistole und zwei Pistolen aus dem Hauptlager. Die Verbindung wurde durch die Lebensmitteltransporteure sichergestellt. Es wurden die Erfahrungen des Ausbruchs der sowjetischen Offiziere aus dem Todesblock in den Plänen berücksichtigt.
Die Leitung der internationalen militärischen Widerstandsorganisation lag zuerst in den Händen eines Dreier-Komitees und bestand aus einem Sowjetischen Major, einem Major der Spanischen Volksarmee und einem tschechoslowakischen Antifaschisten. Anfang 1945 wurde der sowjetische Major Pirogow beigezogen, der aus Sachsenhausen kam und die Leitung übernahm. Die Leitung organisierte die Aufklärung der SS-Bewachung, analysierte deren Schwachstellen und entwickelte entsprechende Pläne. Mithilfe der Häftlinge in der SS-Waffenkammer gelang es Schusswaffen, Munition und Handgranaten zu erhalten. Es wurden auch Brandflaschen heimlich hergestellt. Insgesamt standen 230 Häftlinge in sechs Gruppen für schnelle bewaffnete Aktionen zur Verfügung, die militärische Organisation umfasste Anfang 1945 insgesamt ungefähr 700 antifaschistische Häftlinge.
Mit Ende des Krieges wurde die Gefahr der Vernichtung des Lagers immer größer. Die Leitung des internationalen Komitees hatte die politische Führung über die Militärorganisation. Es wurden auch Pläne für die Sicherung der inneren Ordnung vor Plünderungen durch kriminelle Häftlinge erstellt.
Im April 1945 spitzte sich die Lage zu. Von Passau aus rückten US-Truppen vor, Ende April standen sie vor Linz, im Osten hatte die Rote Armee Wien befreit, stand bei St. Pölten. Mauthausen war von sich zurückziehenden deutschen Truppenteilen, darunter vielen SS-Einheiten umgeben. Die Lage war widersprüchlich, das Morden ging weiter. Die SS ermordete noch am 28. April 1945 – einen Tag nach der Bildung der Provisorischen Regierung in Wien – Antifaschisten der Welser Gruppe und andere politische Häftlinge in der Gaskammer, während am Tag davor 700 Häftlinge aus Westeuropa mithilfe des Roten Kreuzes sicher in die Schweiz gebracht wurden. Der Lagerkommandant Ziereis gab den Befehl aus, dass kein Häftling in Feindeshand fallen dürfe. In den Nebenlagern wurden die gehunfähigen Häftlinge erschossen oder durch Herzinjektionen ermordet, der Rest Richtung Hauptlager verlegt.
Bereits Mitte März 1945 waren über 200 deutsche und österreichische Häftlinge in SS Uniformen gezwungen und an die Front befehligt worden. Sie erhielten vom Lagerkomitee Passierscheine auf Russisch, damit sie bei erster Gelegenheit sicher zur Roten Armee überlaufen konnten.
In dieser Situation musste das Lagerkomitee viele schwerwiegende Entscheidungen treffen, es ging um das Schicksal von Zehntausenden Häftlingen, 16.000 im Hauptlager. Im April setzte sich das Lagerkomitee aus Heinz Dürmayer (Österreich), Franz Dahlem (Deutschland), Leopold Hoffmann (Tschechoslowakei), Oviliano Pajetta (Italien), Andrej Pirogow (Sowjetunion), Oktave Rabate (Frankreich) und Manuel Razola (Spanien) zusammen.
Am 3. Mai 1945 wurde der Lagerkommandant Ziereis abgelöst und als Kommandant der Leiter einer Abteilung der Wiener Feuerwehr ernannt. SS-Leute setzten sich teils bereits in Zivilkleidung ab.
Am 4. Mai 1945 ging eine Delegation des Lagerkomitees bestehend aus Heinz Dürmayer und Hans Marsalek zum neuen Kommandanten und forderte, dass die SS das Lager nicht mehr betreten dürfe und die innere Verwaltung das Lagerkomitee übernehme. An diesem Tag konnte das Lagerkomitee die innere Verwaltung im Hauptlager und im Krankenlager erreichen.
Die militärischen Gruppen der Häftlinge lagen in ihren Ausgangsstellungen bereit. Am 5. Mai mittags hielt zuerst beim Krankenlager ein US-Panzerspähwagen. Im gleichen Moment wurden die Torflügel von den Häftlingen ausgerissen und die Insassen strömten hinaus. Der Spähwagen näherte sich dem Haupttor. Auf dem Turm des Lagers entfaltete sich eine Rote Fahne, am Übergang hing ein Transparent in spanischer Sprache („Die spanischen Antifaschisten begrüßen die Truppen der Befreier!“). Das Lagertor wurde von den Häftlingen gestürmt. Die Wachposten ergriffen die Flucht, wurden verhaftet und in den Bunker gesperrt. Die Militärorganisation übernahm die innere und äußere Sicherung des Lagers, die Waffen- und Versorgungslager wurden besetzt. Der US-Spähwagen erhielt allerdings den Befehl, weiterzufahren, die Häftlinge waren wieder allein.
Das Lagerkomitee ging nun zur offensiven Verteidigung des Lagers über, in der Umgebung wimmelte es von zurückweichenden SS-Truppen. Es galt auch, die Häftlinge wieder zum Lager zurückzubringen, da sie ansonsten leichte Beute für die SS waren. Der österreichische Häftling Oberst Kodre übernahm die Leitung im befreiten Lager, Major Pirogow kümmerte sich um die Verteidigung. Es wurden zusätzliche Kampfeinheiten bewaffnet und losgeschickt, um alle militärisch wichtigen Punkte wie Brücken, Zufahrtsstraßen, Telegrafenämter, Hafenanlagen und das Tanklager Mauthausen zu besetzen. Entlang der Donau kam es an der Donaubrücke Mauthausen mit SS-Einheiten zu schweren Gefechten, bei denen auch Häftlinge im Kampf starben. Das Bataillon unter dem Kommando von Major Belosjorow befreite den Ort Mauthausen sowie Ortschaften im Umfeld von den Faschisten. Auch in den Nebenlagern entwickelte sich die Situation ähnlich.
Am 7. Mai, als das internationale Lagerkomitee die Lage fest im Griff hatte, kam eine Einheit der US-Armee zum Hauptlager. Die ersten Befehle waren: Sämtliche Waffen sind abzuliefern, jede organisierte politische Tätigkeit ist untersagt, alle sowjetischen Häftlinge sind in besondere, durch Stacheldraht abgegrenzte Baracken zu sperren. Das Internationale Mauthausen Lagerkomitee wurde als aufgelöst erklärt, da es nicht repräsentativ wäre. In Wirklichkeit war dies schon ein Vorgeschmack auf den Kalten Krieg. Der US-Kommandant machte aus seiner antikommunistischen Einstellung keinen Hehl. Die US-Fronttruppen, die mit den Häftlingen ehrlich sympathisierten, wurden nach kurzer Zeit durch eine politisch anders ausgerichtete US-Einheit ersetzt.
Das Lagerkomitee bemühte sich um die Rückkehr der Häftlinge in ihre Länder, was teils auf große Schwierigkeiten stieß. Am 16. Mai 1945 verließen auf Intervention des Oberkommandos der Roten Armee in Österreich die sowjetischen Häftlinge das Lager, mit denen auch 35 deutsche Kommunisten hinausgeschmuggelt werden konnten, der berühmte Mauthausen Schwur wurde verlesen. Erst Anfang Juni 1945 verließen die deutschen kommunistischen KZ-Häftlinge, die in Ostdeutschland beheimatet waren, nach Intervention der Roten Armee das Lager, jene aus den Zonen der West-Alliierten konnten erst mit der Übernahme des Lagers durch die Rote Armee endlich heimkehren.
Diese kurze Zusammenfassung kann natürlich nur einen kleinen Einblick in den Widerstandskampf hinter den Mauern und dem Stacheldraht von Mauthausen liefern und soll zur weiteren Beschäftigung mit diesem wichtigen Kapitel des Widerstandskampfes anregen.
Text aus: der neue Mahnruf 4/2020
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