Neuwahl und Bilanz der schwarz-blauen Regierung

Am 29. September 2019 findet die nächste vorgezogene Nationalratswahl statt. Die Neuauflage der ÖVP-FPÖ-Koalition auf Bundesebene ist im Mai im Zuge des Skandals um das Ibiza-Video zerbrochen. Unter der Verantwortung von FPÖ-Ministern standen übrigens alle bewaffneten Einheiten der Republik. In der Zwischenzeit führt eine „Experten“-Regierung die Amtsgeschäfte. Das Regierungsprogramm ließ von Anfang an keine Zweifel, wessen Interessen ungebremst durchgesetzt werden sollten und auch wurden. Der durchgepeitschte 12-Stunden-Arbeitstag und die 60-Stunden-Arbeitswoche, die Zerschlagung der Selbstverwaltung der Krankenkasse der Arbeiter und Angestellten sind nur zwei markante Ergebnisse der vergangenen ÖVP-FPÖ-Regierung.

Das geheim aufgenommene „Ibiza“-Video zeigt Strache und Gudenus in ungezwungener Atmosphäre ihre Absichten diskutierend. Das Video zeigt, dass die FPÖ nie die Partei des des „kleinen Mannes“ oder des Arbeiters war, sondern die Unterstützung vieler Unternehmer genießt  und in deren Interessen handelt. Interessant ist weniger das unmoralische Verhalten von Strache und Gudenus, sondern dass viele Menschen in Österreich nun sahen und hörten, wie eine sehr kleine finanzkräftige Minderheit sich offensichtlich die für sie nötigen Gesetze beschaffen kann, um ihre Interessen wie Steuersenkungen durchzusetzen.

Leider muss aber auch festgehalten werden, dass viele Chancen auf wirksame Gegenwehr zu den Regierungsmaßnahmen vergeben wurden. Der nach der mächtigen ÖGB-Demonstration von weit über 100.000 Menschen gegen den 12 Stunden Arbeitstag Ende Juni 2018 groß angekündigte „heiße Herbst“ hat sich als laues Lüftchen erwiesen.  Das Ende der Regierung hat offensichtlich wenig mit einer mächtigen Gegenwehr zum Regierungsprogramm als vielmehr mit unterschiedlichen Machtspielen und Interessen zu tun.

Jede neue Regierung wird – unabhängig ihrer Zusammensetzung – vor allem auch daran zu messen sein, ob und welche der umstrittenen Maßnahmen der letzten Regierung zurückgenommen werden.

Bilanz der schwarz-blauen Regierung: Im Auftrag der Industrie

„Der Standort Österreich wurde in den vergangenen anderthalb Jahren auf einen guten Weg gebracht“, bilanzierte Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung Steiermark, die Ergebnisse der ÖVP/FPÖ Regierung für sein Klientel:

Steuer- und Abgabensenkung für Besserverdienende und Unternehmer
Die Umsatzsteuer für Hoteliers wurde von 13 auf 10 Prozent gesenkt, durch den Familienbonus erhalten besser Verdienende und Reiche einen erheblich höheren Steuererlass als GeringverdienerInnen. Die Beiträge der Unternehmen zur AUVA wurden von 1,4 Mrd. um 470 Mio. Euro abgesenkt. Arbeitslosenversicherungsbeiträge für Geringverdiener wurden gesenkt bzw. gestrichen. Das wird als „Zuckerl“ für sie verkauft. Tatsächlich handelt es sich um eine Lohnnebenkostensenkung für die Unternehmen. CETA wurde durchgewunken.

Arbeitszeit verlängert
Die Höchstarbeitszeit hob die Regierung von 10 auf 12 Stunden täglich, von 50 auf 60 Stunden wöchentlich an, die Ruhenszeit im Gaststättengewerbe verkürzte sie von 11 auf 8 Stunden. Beschäftigte dürfen viermal im Jahr von der Wochenendruhe ausgenommen werden, Protestanten, Altkatholiken und Methodisten wurde ihr freier Karfreitag gestohlen. Das Antrittsalter zur Altersteilzeit wurde um zwei Jahre auf 55 für Frauen, auf 60 Jahre für Männer, angehoben.

Sozialleistungen gekürzt
Gekürzt wurde beim Arbeitslosenförderbudget, der Mindestsicherung, Frauenprojekten und -beratungsstellen, Ausbildungsvergütungen im überbetrieblichen Bereich, das Budget für Integrationsmaßnahmen wurde halbiert. Die Familienbeihilfe wurde für im Ausland lebende Kinder an die dortigen Lebenshaltungskosten angepasst. Das trifft 24-Stunden-Pflegerinnen, die zum Arbeiten nach Österreich kommen. Bundesmittel für Kindergartengruppen wurden nicht einmal um den Inflationsausgleich erhöht. Bis zu 13.000 Euro pro Monat erhielt dagegen eine einfache Führungskraft im Ministerium von FPÖ Minister Kickl.

Angriffe auf die Demokratie
Die Gebietskrankenkassen wurden zentralisiert, Entscheidungen gegen die Stimmen der Unternehmen sind nicht mehr möglich. Journalisten des ORF wurden drangsaliert. Im Bundesamt für Verfassungsschutz gab es eine Razzia, das Bundesheer wurde aufgerüstet. Die Bundesagentur für Asylrechtsberatung wurde eingerichtet und dem Innenministerium direkt unterstellt, ein Kopftuchverbot beschlossen. Gegen 880.000 Stimmen des Volksbegehrens wurde das Rauchverbot aufgehoben.

 

Texte aus: der neue Mahnruf 3/2019
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