Burschenschafter spielen schon lange eine bedeutende Rolle in der FPÖ. Doch was hat sich in den letzten Jahren geändert?
Unter Strache ist es in der FPÖ zu einem Machtwechsel gekommen. Die deutschnationalen, schlagenden Burschenschaften haben diese Partei zuerst unterwandert, dann dominiert und zuletzt in Besitz genommen.
Die Strache-FPÖ wird von einem Parteiobmann und fünf Stellvertretern geführt: Bis auf einen alles Burschenschafter. Das gleiche Bild in den wichtigsten Parteigremien, im Nationalrat, bei den parlamentarischen Mitarbeitern. Überall haben Burschenschafter die Mehrheit.
Der Bevölkerungsanteil der Burschenschaften beträgt 0,4 Promille. Es ist also eine zahlenmäßig völlig unbedeutende Akademiker-Clique. Gewicht erhält sie durch ihre rechtsextreme Positionierung, denn die Burschenschaften haben sich aus den Traditionen des Nationalsozialismus nie gelöst und sie bekennen sich bis heute zu Großdeutschland.
Heutige Burschenschafter berufen sich gerne auf ihre demokratischen Traditionen und sie behaupten, die studentischen Verbindungen hätten mit dem historistischen NS-Faschismus nichts zu tun gehabt. Wie sah die Realität tatsächlich aus?
Die Geschichte der Burschenschaften ist eng mit der Geschichte des Nationalsozialismus verknüpft. Die „demokratischen Traditionen“ auf die sie sich berufen, hat es in Wirklichkeit nie gegeben. Im Gegenteil: Seit 1918 waren Burschenschafter an jedem Putschversuch gegen die Demokratie führend beteiligt. Im Jahr 1933 wurde Hitlers Marsch auf die Feldherrnhalle von Burschenschaftern organisiert und auch der nationalsozialistische Juliputsch des 34er Jahres in Wien war das Werk von Burschenschaftern.
Die Burschenschaften waren nicht nur Wegbegleiter, sie waren Wegbereiter von Hitlers Rassen- und Vernichtungspolitik. Schon auf dem Wartburgfest, der legendären Gründungsveranstaltung von 1817, wurde eine Resolution verlesen, in der gefordert wurde, „die Kaste Juden…mit Stumpf und Stiel“ auszurotten.
Auf diesem Wartburgfest fand auch die erste Bücherverbrennung statt. 1933 folgte die zweite in 63 deutschen Städten. Auch diese war von Burschenschaftern organisiert, assistiert von der SA und dem Nationalsozialistischen Studentenbund.
Welche Anknüpfungspunkte haben Burschenschaften heute noch zum Antisemitismus?
Zu den wichtigsten Identifikationsmerkmalen der Burschenschaften zählt ihr Antisemitismus. Bis heute halten Burschenschafter am berüchtigten Arier-Paragrafen der Nazis fest, auch wenn sie das mit einem sprachlichen Trick zu verbergen suchen. Offiziell binden sie die Mitgliedschaft nicht mehr an einen Arier-Nachweis, sondern an die „Volkszugehörigkeit“. Das klingt besser, meint aber das gleiche: Mitglieder müssen deutscher Abstammung sein. Juden und „Fremdrassige“ bleiben wie unter den Nazis ausgeschlossen. Der Arier-Paragraf wird von Burschenschaften bis heute konsequent exekutiert.
Auch beim Wiener Burschenschafter-Ball, zu dessen ständigen Gästen Strache und Hofer zählen: Das gemäßigte Corps Hellas hatte für die Eröffnung einen Österreicher mit türkischer Abstammung nominiert. Mit türkischen Vorfahren kann man kein Arier sein. Also wurde die Teilnahme vom Ballausschuss abgelehnt.
Du sprichst bei Burschenschaften von „großdeutscher Propaganda“, wie äußert sich das innerhalb der FPÖ, die sich zumindest in ihrem Außenbild einem österreichischen Nationalismus verschrieben hat?
Die Spitzenpolitiker der FPÖ, die aus deutschnationalen schlagenden Burschenschaften kommen, fühlen sich als Deutsche. Die österreichische Nation wird als „Hirngespinst“ lächerlich gemacht oder als „Missgeburt“ verunglimpft. Norbert Hofers Burschenschaft bezeichnet die österreichische Nation als „geschichtswidrige Fiktion“. Sie bekennt sich ausdrücklich zum „deutschen Vaterland, unabhängig von bestehenden Grenzen“.
Im Handbuch des Dachverbandes der Burschenschaften heißt es, die Österreicher seien Deutsche, folglich sei Österreich ein „deutscher Staat“. Die europäischen Grenzen werden als „einseitige Verletzungen des Völkerrechts“ bezeichnet. Die Wiener Burschenschaft Olympia, der zahlreiche Spitzenpolitiker der FPÖ angehören, hat allen Ernstes gefordert, Österreich und Teile Polens „in die deutsche Wiedervereinigung einzubeziehen“. Eindeutiger lässt sich Verfassungsfeindlichkeit nicht artikulieren.
Der FPÖ-Parlamentarier und Burschenschafter Werner Neubauer begann seine Rede bei einer Anti-Minarett-Demo in Deutschland mit den Worten: „Liebe deutsche Landsleute. Ich darf das sagen, weil ich Deutscher bin.“
Der Kurier zitierte den Präsidenten der oö. Industriellenvereinigung, Axel Greiner, kürzlich mit dem Satz „Schwarz-Blau ist hervorragend“. Was erwarten sich Wirtschafts- und KapitalvertreterInnen von einer FPÖ-Regierungsbeteiligung?
Unter Schwarz-Blau wurden Pensionskürzungen und tiefgehende Einschnitte in das Gesundheitssystem beschlossen. Gleichzeitig gab es mit der Gruppenbesteuerung großzügige Geschenke an multinationale Konzerne. Danach stimmte die FPÖ gegen die Einführung der bedarfsorientierten Mindestsicherung zur Armutsbekämpfung und gegen das Sozialrechts-Paket mit vielen Verbesserungen für Arbeitnehmer.
Dafür vertritt sie im Parlament die Interessen von Millionären, Unternehmern, multinational agierenden Konzernen, Banken, Sozialbetrügern und Steuerflüchtlingen. Unter anderem stimmte sie gegen die Einschränkung der Steuerprivilegien für Managergehälter über 500.000 Euro, gegen ein Anti-Lohndumping-Gesetz, das Strafen für untertarifliche Entlohnung festschrieb und gegen die Erhöhung der Bankenabgabe zur Überwindung der Finanzkrise. Dafür forderte sie in einer Petition, die Beschränkung der Maklergebühren auf zwei Monatsmieten aufzuheben.
Wo die Partei steht, erkennt man auch in der Auswahl ihrer Wirtschaftsexperten, denn da kommen ausschließlich die Verfechter des Haifisch-Kapitalismus zu Wort. Norbert Hofer hat als Präsidentschaftskandidat beispielsweise angekündigt, Dieter Hundt zu seinem wirtschaftspolitischen Berater zu machen. Der hat als Chef der deutschen Arbeitgeberverbände Zeit seines Lebens für längere Arbeitszeiten, Lohn- und Sozialabbau gekämpft und sich gegen Mindestlöhne stark gemacht.
Buchtipp: Hans Henning Scharsach: Stille Machtergreifung. Hofer, Strache und die Burschenschaften, K & S, Wien 2017, ISBN: 978-3-218-01090-0
Text aus: der neue Mahnruf 4/2017
Bestellungen können mittels des Kontaktformulars – so lange der Vorrat reicht – kostenlos aufgegeben werden. Außerdem steht unser Download-Service im PDF-Format bereit: Download „der neue Mahnruf“