In den ersten Monaten dieses Jahres kam es auf unterschiedlichen Ebenen zu Angriffen auf demokratische Errungenschaften. Besonders Innenminister Sobotka war immer vorne dabei, wenn es darum ging, zentrale, verfassungsrechtliche Säulen „westlich-demokratischer“ Staaten anzusägen. Im Fokus steht die Aushöhlung des Demonstrationsrechts.
Anfang Jänner 2017 wirkte es noch wie ein verspäteter Brief ans Christkind, den Wolfgang Sobotka formulierte: er wünsche sich eine Ausweitung von Überwachung im öffentlichen Raum, automatische Erfassung von KFZ-Kennzeichen und Fußfesseln für sogenannte „Gefährder“. Man hätte das als Hirngespinste eine ÖVP-Politikers, der es vor seinem Ministerposten hauptsächlich mit Veruntreuung – so soll er in Niederösterreich über eine Milliarde Euro Wohnbaugelder verspekuliert haben – in die Schlagzeilen geschafft hat, abtun können. Wenig später ist all dies und noch vieles mehr, wie eine Ausweitung von Online-Überwachung, Vorratsdatenspeicherung und die Pflicht zur Registrierung von Wertkartenhandys Bestandteil des neuen Regierungsprogramms, beschlossen und SPÖ und ÖVP. Ein Treppenwitz der Geschichte und eindrucksvolles Zeugnis vom Realitätsverlust des Innenministers, dass er seinen Überwachungswahn in einem Interview mit Heute tatsächlich wie folgt rechtfertigte: „Vor meiner Haustüre lag – vor vielen Jahren – immer wieder menschlicher Kot. Als ich eine Kamera aufgestellt habe, war das sofort vorbei.“ Das Lachen bleibt einem jedoch im Hals stecken.
Als ob all das noch nicht genug wäre, setzte Sobotka pünktlich vor der größten, regelmäßigen antifaschistischen Mobilisierung – der Demonstration gegen den rechtsextremen Akademikerball in Wien der „Offensive gegen Rechts“ – noch gehörig einen drauf. Der vom Innenminister geplante Angriff auf demokratische Rechte ist von großem Umfang und hat den Charakter eines autoritären Staatsumbaus. Hier sollen AnmelderInnen und Verantwortliche von Demonstrationen oder Kundgebungen für wie auch immer im Rahmen dieser Manifestationen – dies ist natürlich Auslegungssache – entstandene Sachschäden haftbar gemacht werden. Das hieße konkret, dass OrganisatorInnen dann mit Anzeigen nach dem Strafrecht, deren Bestandteil theoretisch Summen im sechsstelligen Bereich und darüber hinaus sein könnten, konfrontiert wären – eine gewaltige Einschüchterungstaktik und rechtlich absurd.
Weiters soll das Versammlungsrecht dahingehend attackiert werden, dass Demonstrationen verboten werden können, wenn sie an bestimmten Orten „Geschäftsinteressen“ stören. Das bedeutet unterm Strich, dass der Ausdruck von Protest von belebten Einkaufsstraßen in der Innenstadt verbannt werden könnte und damit Demonstrationsziele wie das Erreichen möglichst vieler Menschen ad absurdum geführt werden. Gerechtfertigt wird dieser Vorstoß damit, dass Demonstrationen die Profite von Wirtschaftstreibenden gefährdeten. Nun jammert dies die Wirtschaftskammer zwar seit Jahren, aber erstens stehen Belege dafür selbstredend aus und zweitens dürfen diese sogenannten Interessen doch zu keinem Zeitpunkt dazu führen, dass Grundrechte wie Demonstrations- und Versammlungsfreiheit mit Füßen getreten werden.
Nachdem sich namhafte Vertreter aus Sozialdemokratie und Gewerkschaften gegen diese Forderungen gestellt haben, scheinen diese – fürs Erste! – auf Eis gelegt zu sein. Einzig dem SP-Nationalratsabgeordneten und Vorsitzenden der Gewerkschaft Bau-Holz, Josef Muchitsch, war es nicht zu blöd, in diesem Zusammenhang davon zu sprechen, dass „Berufsdemonstranten“ für Zwischenfälle härter bestraft gehörten und PassantInnen, wenn sie nicht gegen solche Vorfälle vorgehen, aufgrund von unterlassener Hilfeleistung belangt werden müssen.
Es wurde im öffentlichen Diskurs über all diese und viele weitere Punkte eine Stimmung geschaffen, in der Menschen, die von ihrem Recht, ihre Meinung auf der Straße zu formulieren, Gebrauch machen, kriminalisiert und eingeschüchtert werden. Davon, und von medialer Panikmache in Bezug auf Demonstrationen generell, offenbar zu besonderen Höhenflügen inspiriert, ging die Linzer Polizei im Vorfeld der diesjährigen Demonstration gegen den Burschenbundball in der oberösterreichischen Landeshauptstadt noch einen Schritt weiter. Den OrganisatorInnen vom Bündnis „Linz gegen Rechts“ wurde mitgeteilt, dass sie nicht nur eine gewisse Anzahl an OrdnerInnen – was im Grunde rechtlich nicht haltbar ist – zu stellen hätten, sondern diese auch vorab namhaft zu machen und Personendaten an die Polizei zu übermitteln wären. Andernfalls würde die Demonstration untersagt werden, hieß es in dem Schreiben der Behörde.
Das große antifaschistische Bündnis, dem auch der KZ-Verband/VdA Oberösterreich angehört, tat in dieser angespannten und nicht absehbaren Situation hingegen das einzig Richtige. In einer Stellungnahme verlautbarten die AntifaschistInnen: „Wir lassen uns davon sicherlich nicht einschüchtern, sondern werden uns aktiv gegen diese Repression seitens der Exekutive einsetzen.“ Und tatsächlich konnten sie sich damit durchsetzen. Die Polizei machte einen Rückzieher und sprach plötzlich von Missverständnissen, die zur Drohung des Demoverbots geführt hätten. Die Demonstration selbst setzte dann am 4. Februar mit 1.000 Beteiligten ein entschlossenes Zeichen gegen das als Ball getarnte Vernetzungstreffen deutschnationaler Burschenschafter.
Die Zukunft wird zeigen, wie weit demokratische Rechte noch angegriffen werden, welche Pläne noch in den Schubladen der Law-and-Order-Fanatiker liegen und in welchen Konstellationen diese umgesetzt oder angedroht werden. Demokratisch und antifaschistisch gesinnte Menschen müssen wohl damit rechnen, hier noch viele Angriffe zurückschlagen zu müssen. Wenn die Erfahrung aus Linz hier aber eines lehrt, ist es, mit Bert Brecht gesprochen, dass jene schon verloren haben, die nicht bereit sind zu kämpfen.
Text aus: der neue Mahnruf 1/2017
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