Mit minimalem Vorsprung konnte sich Alexander Van der Bellen in der Bundespräsidentenwahl gegen FPÖ-Kandidat Norbert Hofer durchsetzen. Eine erfolgreiche Strategie gegen Rechts darf sich nicht auf Appelle beschränken
Nach einem langen Wahlkampf und einer aufgrund des knappen Ergebnisses 24-stündigen Verzögerung stand am späten Nachmittag des 23. Mai nach Auszählung der Wahlkarten endlich fest: Österreichs Staatsoberhaupt wird doch kein deutschnationaler Burschenschafter und Mitglied einer Partei, die aus dem „Verband der Unabhängigen“, Sammelbecken ehemaliger NSDAP-Mitglieder, entstanden war. AntifaschistInnen in ganz Österreich konnten erleichtert aufatmen. Doch Grund zu übermäßiger Freude besteht keineswegs. Denn der massenhafte Zuspruch für den FPÖ-Kandidaten macht deutlich, dass das Potenzial für künftige Wahlerfolge der Rechten noch nicht ausgeschöpft ist. Nur etwas mehr als 31.000 Stimmen trennten den Wahlsieger Alexander Van der Bellen von Hofer. Gleichzeitig deutet auch nach der Ablöse von Werner Faymann durch den Manager Christian Kern als SPÖ-Chef und Bundeskanzler wenig auf eine Wende in der Regierungspolitik hin. Doch diese ist nötig, wenn der FPÖ der Wind aus den Segeln genommen werden soll. Moralische Appelle an die ÖsterreicherInnen, keine KandidatInnen einer Partei zu wählen, die rassistische Ressentiments für ihre Politik nutzt, wird zu wenig sein.
Der Bundesvorsitzende des KZ-Verbands/VdA, Harald Grünn, sagte in seiner Rede bei den Befreiungsfeiern in Mauthausen am 15. Mai, dass das gute Abschneiden des FPÖ-Kandidaten bei den Bundespräsidentenwahlen ein „Protest gegen die rot-schwarze Bundesregierung ist, die selbst schon längst dazu übergegangen ist, ursprünglich blaue Positionen in ihre Praxis umzusetzen“. In Wahlerfolge können die beiden Koalitionsparteien ihre Zugeständnisse an die FPÖ allerdings nicht umsetzen. Die beiden Kandidaten von SPÖ und ÖVP errangen bei der ersten Runde der Bundespräsidentenwahlen jeweils nur etwas mehr als elf Prozent der Stimmen. Die ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, Irmgard Griss, erzielte 18,94 und der ehemalige Bauunternehmer Richard Lugner 2,26 Prozent.
Grünn kritisierte ins seiner Rede insbesondere die Maßnahmen in Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise während der vergangenen Monate. „Dabei sprach die Regierung von ‚Staatsnotstand‘, will Polizei und Militär aufrüsten und verschärft das Asylrecht bis zur Unkenntlichkeit. Gleichzeitig ordnet sie sich der katastrophalen Außenpolitik der EU bzw. des Westens unter, die zum größten Teil für die Fluchtbewegungen aus den zerstörten und verwahrlosten Regionen des Nahen und Mittleren Ostens sowie Afrikas verantwortlich ist. Diese Fluchtbewegungen werden in Österreich und der EU dafür instrumentalisiert, den Sozialstaat und das Arbeitsrecht weiter unter Druck zu setzen, eine repressive Innenpolitik voranzutreiben und außenpolitische Abenteuer zu rechtfertigen“, so Grünn.
Nährboden der Unsicherheit
Zusammen mit der neoliberalen Wirtschaftspolitik ist ein politischer „Nährboden der Unsicherheit und Ohnmacht entstanden, vermischt mit Abstiegsängsten breiter Schichten und dem Anheizen von bereits vorhandenen fremdenfeindlichen Stimmungen“. Auf diesem Nährboden „gedeihen Kräfte wie die FPÖ in Österreich, die AfD in Deutschland oder der Front National in Frankreich“.
Für die antifaschistische Bewegung sieht der Vorsitzende des KZ-Verbandes große und drängende Aufgaben und spricht von der Notwendigkeit des Aufbaus „einer breiten internationalistischen Massenbewegung der arbeitenden Menschen für ihre eigenen Interessen, die gegen Armut, Arbeitslosigkeit und soziale Ungleichheit, gegen Kollektivvertragsflucht und Lohndumping, für eine ernstgemeinte Umverteilungspolitik zu Lasten der Reichen, Banken und Großkonzerne, für eine wirksame Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich und für ein Ende der Unterordnung unter das EU-Diktat der Banken und Konzerne eintritt. Damit einhergehend muss dem immer heftiger werdenden internationalen Säbelrasseln und der militärischen Abenteuerlust ein Riegel vorgeschoben werden. Treten wir daher auch wieder verstärkt für die Rückkehr zur aktiven Neutralitätspolitik Österreichs ein.“
In einer Stellungnahme des KZ-Verbands Wien zur ersten Runde der Bundespräsidentenwahl hieß es, dass die „Sozialdemokratie und die christlichsoziale Partei (ÖVP) durch ihre Politik des Zurückweichens und den Willen, die FPÖ rechts zu überholen, dieses Ergebnis zu verantworten“ haben. Der KZ-Verband Wien fordert die Regierung auf, „wieder auf die Basis der Menschenrechte und der Genfer Konvention zurückzukehren und eine vernünftige Politik für die Menschen in Österreich zu betreiben. Dazu gehört auch, jede weitere Verschärfung des Asylgesetzes zu unterlassen! Schutzbedürftige Menschen gegen ÖsterreicherInnen auszuspielen, findet seit Jahren statt und hat einen Teil zu den aktuellen politischen Entwicklungen beigetragen“.
Zweieinhalb Wochen nach der Wahl gab die FPÖ bekannt, die Stichwahl anzufechten. Als Grund nannte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache Unregelmäßigkeiten bei der Briefwahl. Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über die Anfechtung erfolgte nach Redaktionsschluss.
Text aus: der neue Mahnruf 2/2016
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