„Identitäre“ stören Theateraufführungen und greifen AntifaschistInnen an. Die Gruppe der „Neuen Rechten“ dient als Scharnier zwischen bürgerlicher Rechten und Neonazis
In den vergangenen Monaten haben Mitglieder der rechtsextremen Gruppe der „Identitären“ wiederholt für Schlagzeilen gesorgt. Nach einer Besetzung des grünen Hauses in Graz, wo die Rechtsextremen ein Transparent ausrollten und rote Flüssigkeit verspritzten, sorgten vor allem die Angriffe auf Theateraufführungen in Wien für Aufmerksamkeit. Mitte April stürmte ein Dutzend Mitglieder der Gruppe das Audimax der Uni Wien, wo gerade eine Inszenierung des Stücks „Die Schutzbefohlenen“ von Elfriede Jelinek stattfand. In dem 2013 uraufgeführten Werk setzt sich die Schriftstellerin kritisch mit der europäischen Flüchtlingspolitik auseinander. Das Besondere an der Inszenierung im Audimax war, dass auch Flüchtlinge aus Syrien, Irak und Afghanistan mitwirkten. Die „Identitären“ stiegen auf die Bühne des Audimax, zeigten ein Transparent mit der Aufschrift „Heuchler“ und verspritzten Kunstblut. Beherzte ZuseherInnen konnten die rechtsextremen Störer binnen weniger Minuten aus dem Hörsaal hinausdrängen. Die Transparentaufschrift erläuterten die „Identitären“ in wirren Erklärungen auf ihrer Internetseite. Sie werfen den ZuseherInnen von Aufführungen des Jelinek-Stücks vor, sich um die Probleme von Flüchtlingen zu kümmern und dabei auf „europäische Opfer“ zu „vergessen“. In einer Videobotschaft warf ein Mitglied der Gruppe regierenden PolitikerInnen vor, aufgrund ihrer Asylpolitik die Verantwortung für islamistische Anschläge zu tragen.
Knapp zwei Wochen später gab es einen erneuten Angriff auf eine Theateraufführung. Dabei kletterten ein paar Mitglieder der „Identitären“ während einer Aufführung von „Die Schutzbefohlenen“ auf das Dach des Burgtheaters in Wien, entrollten wieder ein Transparent mit derselben Aufschrift wie im Audimax und warfen Flugblätter vom Gebäude. Die Verantwortlichen des Burgtheaters zeigten sich über den Vorfall entsetzt und posteten auf Facebook eine unmissverständliche Aufforderung: „Identitäre runter von unserem Haus und raus aus Europa. Ihr, eure Angstmacherei, euer Hass und eure Aufhetzerei haben hier keinen Platz!“ Der damalige SPÖ-Kulturminister Josef Ostermayer nannte die Störung eine „Provokation einer rechtsradikalen Gruppe“, für die es keine Akzeptanz geben dürfe. Was „mit der Besetzung von Theaterbühnen beginnt, endet allzu oft in Gewalt gegen jene, denen unser Schutz zu gewähren ist“, so Ostermayer.
Verflechtungen
Die „Identitären“ versuchen sich durch ihre medienwirksamen Aktionen das Image einer neuen „Bewegung“ zu geben, die mit herkömmlichen rechten Gruppierungen nichts gemeinsam habe. Tatsächlich stellt die Organisation als Vertreterin der „Neuen Rechten“ eine Schnittstelle zwischen bürgerlichem Spektrum und neonazistischen Gruppen dar. „Die Identitären sind eine klar rechtsextreme Organisation“, schrieb die Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl nach den jüngsten Vorfällen in einem Kommentar für den Standard. „Ihr Weltbild beruht auf der Annahme der Ungleichheit und der damit verbundenen Ungleichwertigkeit von Menschen(gruppen). Rassismus, Antifeminismus, Homophobie und ein inhärenter Hass auf arme Menschen sind da nur einige Spielarten. Am prägnantesten sind der antimuslimische Rassismus und das damit verbundene Hetzen gegen Flüchtlinge.“ Strobl macht auch auf die Scharnierfunktion der „Identitären“ aufmerksam. Denn immerhin gibt es „einigende Narrative, die von klaren Neonaziorganisationen bis tief in ein bürgerliches Spektrum hinein geteilt und verbreitet werden“. Dabei wird deutlich, dass mittlerweile „der Gedanke, dass sich rassistische und antidemokratische Anschauungen am ‚Rand der Gesellschaft‘ abspielen, schlicht falsch ist. Die Identitären gehören in ein Spektrum, das genau an der Überlappung von rechtsextrem und bürgerlich angesiedelt ist“.
Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Entwicklungen in Österreich sind aber vor allem die Verflechtungen mit der FPÖ alarmierend. Auf „Identitären“-Kundgebungen sind häufig freiheitliche FunktionärInnen zu sehen. Die „Identitären“ wiederum können sich über mediale Unterstützung durch die FPÖ freuen. So verbreitete Heinz-Christian Strache das Propagandavideo der „Identitären“ nach der Audimax-Störung über sein Facebook-Profil.
Die „Identitären“ behaupten, stets gewaltfrei zu agieren. Tatsächlich kommt es immer wieder zu gewalttätigen Übergriffen auf AntifaschistInnen. Zuletzt wurden Anfang des Jahres nach einer „Identitären“-Kundgebung in Graz vier Personen von mehreren Schlägern überfallen. In diesem wie in anderen Fällen ist die Identität der rechten Schläger bekannt. Auch von den Aktionen in Wien gibt es Bildmaterial von Augenzeugen wie von den Rechten selbst. Bleibt zu hoffen, dass die Behörden dieses Material auswerten und endlich auch rechtliche Schritte einleiten. Die Anzeigen wegen Versammlungsstörung nach der Audimax-Attacke wurden wieder zurückgelegt. Anzeigen wegen Körperverletzung waren lediglich gegen „unbekannt“ ergangen. Letztlich wird nur eine breite antifaschistische Bewegung verhindern, dass Organisationen wie die „Identitären“ ihre Aktionen ungestört durchführen können.
Text aus: der neue Mahnruf 2/2016
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